Im Interview: Interkultureller Tag, Elternpartnerschaft und Bio-Einsatz in der Protestantische Kindertagesstätte „Villa Meilchen“ in Kaiserslautern

Stand: 04/13/2022
Die protestantische Kita Villa Meilchen liegt im Stadtteil Lämmchesberg, der Kernstadt von Kaiserslautern. Die viergruppige Kita ist in Trägerschaft der protestantischen Gesamtkirchengemeinde Kaiserslautern. Insgesamt betreut die Kita 100 Kinder aus 24 Nationen. Derzeit werden 48 Kinder im Ganztag, von 07:00 bis 17:00 Uhr betreut. Die übrigen Betreuungsplätze sind Teilzeitplätze, hier werden die Kinder von 07:00 bis 14:00 Uhr betreut.
Im Interview mit der Einrichtungsleitung haben wir mehr über die Verpflegung in der Kita Villa Meilchen erfahren.

Bitte beschreiben Sie kurz das Verpflegungskonzept in Ihrer Einrichtung.
Alle Kinder bringen aktuell ihr eigenes Frühstück mit und die Kinder in der Ganztagesbetreuung bringen zusätzlich ihren Nachmittagssnack von zuhause mit in die Kita. Das Mittagessen für die Kinder im Ganztagesbereich wird, von zwei Hauswirtschaftskräften, frisch zubereitet. Die Kinder im Teilzeitbereich bringen für ihr Mittagessen eine Lunch- Box von zuhause mit. Das bestehende Ernährungskonzept ist sehr vielfältig, bindet Partizipation mit allen Beteiligten mit ein, beachtet Ernährungsbildung und Gesundheitsprävention in verschiedenen Bereichen und entwickelt sich stets weiter. Die Kita hat das Zertifikat im Projekt „Kita isst besser“ erhalten und nimmt am Schulmilch- und Obstprogramm teil. Beim Einkauf und Auswahl der Zutaten achten die Hauswirtschaftskräfte auf saisonale, regionale und biologische Produkte. Es besteht eine enge Kooperation mit den örtlichen Anbietern, wie zum Beispiel der Bio- Naturkostladen. Ebenso wird die Kindertageseinrichtung von einem Bio- Lieferanten mit Bio-Produkten beliefert. Gezielte Ernährungsangebote, wie zum Beispiel ein interkultureller Tag, gemeinsamer Einkauf mit den Kindern, gemeinsame Koch- und Backaktivitäten mit Kindern und ihren Eltern und Partizipation in der Auswahl der Speisen etc., finden regelmäßig in der Einrichtung statt.

Warum setzen Sie Bio-Lebensmittel in der Verpflegung in Ihrer Einrichtung ein?
Ziel der pädagogischen Arbeit ist die Förderung der Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, unter Berücksichtigung positive Lebensbedingungen für junge Menschen sowie ihren Familien eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen (vgl. § 1 SGB VIII). Das Kindertagesstättengesetz Rheinland - Pfalz weist ebenfalls im § 2 Absatz (1) auf die Förderung der Gesamtentwicklung des Kindes hin. Ebenso sind in den UN-Kinderrechtskonventionen das Recht des Kindes auf Gesundheitsvorsorge und auf angemessene Lebensbedingungen festgelegt. Auch in den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen von Rheinland – Pfalz wird auf die Gesundheitsbildung bei Kindern hingewiesen.
Eine Förderung im Gesundheitsbereich und somit auch in der Ernährungsbildung sind für uns selbstverständlich und setzen wir in der alltäglichen pädagogischen Arbeit um. Kindertageseinrichtungen eignen sich besonders als Setting der Gesundheitsförderung und Prävention. Maßnahmen in Kitas sollen die Förderung von Bewegung, gesunder Ernährung, Entspannung, Stressbewältigung, sozial-emotionaler Kompetenzen und Resilienz umfassen und in deren Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag integriert sein.


Der Wunsch nach Bio-Lebensmitteln in der Verpflegung in Schulen oder Kitas kommt häufig von einzelnen Personen in den Einrichtungen oder der Kommunalpolitik, oder entsteht bei Eltern, die sich besonders mit der Qualität und Herkunft von Lebensmitteln auseinandersetzen. So können z.B. die Ablehnung von nicht unbedingt notwendigen Zusatz- und Aromastoffen oder die persönliche Überzeugung für diese Wirtschaftsweise einzelner Personen zu der umfassenden Auseinandersetzung mit der Qualität des Kita- und Schulessens und dem Wunsch nach einer Bio-Verpflegung führen. Oder der Träger legt besonderen Wert darauf nachhaltig zu handeln und die Einkäufe, die in seiner Verantwortung liegen möglichst ökologisch zu gestalten.

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Woher kam der Wunsch nach Bio in der Verpflegung? Welche Lebensmittel werden zurzeit in Bio-Qualität angeboten. Worauf achten Sie dabei?
Dem Team der Prot. Kindertagesstätte „Villa Meilchen“ ist es ein Anliegen gewesen, wichtige Grundsteine der Bildung und Persönlichkeitsentwicklung für Kinder zu legen. Gesundheitsförderliche Strukturen und Abläufe zu schaffen, die Gesundheits- und Bildungsressourcen der Kinder zu stärken, Kinder in sozial benachteiligten Stadtteilen zu unterstützen und eine enge Kooperation mit den Eltern unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse, Voraussetzungen und Kompetenzen zu schaffen. Der Wunsch nach Bio in der Verpflegung entstand somit in der gemeinsamen Evaluation, Auseinandersetzung und Reflexion der Gesundheits- und Ernährungsbildung. Gemeinsam mit dem Team und dem Träger wurde das Ernährungskonzept der Prot. Kindertagesstätte „Villa Meilchen“ weiter ausgebaut.
Fast 85% der Lebensmittel werden zurzeit in Bio-Qualität angeboten Die Grundnahrungsmittel, Getreideprodukte, Obst und Gemüse, sowie Milchprodukte werden vom nahegelegenen Bio - Discounter und einem Bio – Lieferanten bezogen. Das Fleisch und den Fisch kaufen wir frisch beim regionalen Metzger sowie Großhandel ein. Beim Kauf achten wir auf zertifizierte anerkannte ÖKO Labels, wie „demeter“, „bioland“ oder „Naturland“ und auf regionale sowie fair gehandelte Produkte

Welche Lösungen haben Sie gefunden um höhere Einkaufspreise von Bio-Lebensmitteln im Vergleich zu konventionellen auszugleichen? Wie hoch sind die Wareneinsatzkosten bei Ihnen durchschnittlich?
Hier spielen mehrere Aspekte eine entscheidende Rolle. Erstens die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit Anbietern von Bio - Lebensmitteln. Eine Vereinbarung von günstigen Konditionen, wirkt sich positiv auf die finanzielle Situation aus. Der zweite Aspekt der eine entscheidende Rolle spielt ist das wirtschaftliche Haushalten und die Erstellung des Speiseplans der Hauswirtschaftskraft. Die wöchentlichen durchschnittlichen Wareneinsatzkosten betragen circa 150€ bis 300€. Ebenso ist die Unterstützung des Trägers sehr entscheidend. Die Prot. Gesamtkirchengemeinde Kaiserslautern steht dem Ernährungskonzept offen gegenüber und zeigt in diesem Bereich ebenfalls sehr großes Interesse.

Kostenkalkulation mit Bio-Lebensmitteln: Die Kosten für die Lebensmittel, also die Wareneinstandskosten machen neben den Betriebskosten der Küche, den Personalkosten sowie den Verwaltungskosten nur einen Teil der Gesamtkosten der Schulverpflegung aus. Je nach Bewirtschaftungssystem, Verpflegungssystem, Portionsgrößen und Zahl der Essensteilnehmer sind diese Kosten verschieden. Laut KuPS Studie der DGE ist bei der Umstellung der Lebensmittel auf 20% Bio-Lebensmittel (gemessen am Geldwert der Lebensmittel) mit einem Kostenzuwachs bei den Wareneinstandskosten um ca. 4-8% (zwischen 7 und 10 Cent pro Mahlzeit) zu rechnen. Sollen 100% der Lebensmittel in Bio-Qualität eingesetzt werden, wurde eine Kostensteigerung von 82-85% berechnet (zwischen 1,01€ und 1,36€). Allerdings ist dies lediglich der Fall, wenn die Speisepläne gleichbleiben und keine Anpassungen erfolgen.
Bitte beschreiben Sie die Speisenplanung in Ihrer Einrichtung. Arbeiten Sie in einer Frisch- oder Mischküche? Was ist hinsichtlich des Einsatzes von Bio-Lebensmitteln bei der Zubereitung zu beachten?
In unserer Kindertageseinrichtung wird täglich für 48 Kinder ein frisches, warmes, gesundes und ausgewogenes Mittagessen zubereitet. Der Speiseplan wird auf Grundlage der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erstellt und berücksichtigt die Ernährungsempfehlungen speziell für Kinder im Wachstum. Ebenso werden bei der Erstellung des Speiseplans kulturelle und religiöse Hintergründe der Familien mit bedacht und dementsprechend individuell umgesetzt.
Der Einsatz von Bio-Lebensmitteln kann wie bei konventionellen Lebensmitteln verwendet werden. Der Koch- und Backvorgang gestaltet sich gleich, lediglich die Garzeiten können sich bei Vollkornprodukten wenige Minuten verlängern.

Was sagen die Eltern zum Bio-Einsatz? Inwiefern spielen Elternwünsche eine Rolle? Gab es Zweifel?
Wir praktizieren in unserer Einrichtung eine Elternpartnerschaft auf Augenhöhe und stehen in einem regelmäßigen sowie vertrauten Dialog mit den Eltern und den Erziehungsberechtigten. Partizipation spielt nicht nur im Umgang mit den Kindern eine wichtige Rolle, sondern auch in der Unterstützung der Familien.
Die Eltern stehen dem Ernährungskonzept der Kita offen gegenüber und befürworten den Einsatz von Bio-Lebensmitteln. Regelmäßige Gemeinschaftsprojekte mit Kindern und ihrer Familien sind präventiv ausgerichtet und Gegenstand gesundheitsförderlicher Bildung. In der Praxis finden so zum Beispiel interkulturelles Kochen mit dem Austausch von Rezepten, Einladung zum gemeinsamen Frühstück, themenbezogene Informationsnachmittage und/oder Ähnliches statt. Ebenso unterstützen uns die Eltern mit Spenden in Form von Lebensmitteln, wie zum Beispiel Obst, Gemüse oder Getreide.



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Thematisieren Sie Ernährung mit den Kindern in der Kita?
Das Thema Ernährung, Ernährungsbildung und die intensive Auseinandersetzung damit sind in unserer Kindertageseinrichtung ein Schwerpunkt und prägen den pädagogischen Alltag. Konzeptionell sind Ernährungs- und Gesundheitsmaßnahmen in der pädagogischen Arbeit verankert. Präventive Angebote wie zum Beispiel gemeinsame Zubereitung von Snacks, das Kochen von Marmelade, Herstellung von Tee, das Backen von einem Kuchen sind nur ein kleiner Teil der umgesetzt wird. Eine kontinuierliche Visualisierung anhand von Fotos oder Bildern finden sich im Bistro und Flur, die gesunde Ernährung thematisieren. Ebenfalls bietet das Außengelände mit dem Hochbeet, dem Obstbaumbestand und den Kräutern Gesprächs- und Aktionsanlässe mit den Kindern. Ernährungs- und Gesundheitsprävention sind sehr umfangreich und nehmen auch in anderen Bildungsbereichen Einfluss. In den Bereichen der Essatmosphäre und Ernährungsbildung werden für alle Kinder alltagsintegriert Maßnahmen sowie Aktivitäten angeboten.


Wie wird in Ihrer Einrichtung die Qualitätssicherung gewährleistet? Gibt es z.B. regelmäßig Zufriedenheitsbefragungen, Probeessen, kontrollieren Sie Lieferscheine und Bio-Zertifikate Ihrer Lieferanten?
Qualitätssicherung wird durch regelmäßige Teamsitzungen mit dem Hauswirtschaftsteam und dem Gesamtteam durchgeführt, protokolliert und durch Reflexion evaluiert. Die Kinder und Eltern werden partizipativ mit in den Prozess miteingebunden, indem eine jährliche Elternumfrage bezüglich der pädagogischen Arbeit stattfindet. Diese Umfrage beinhaltet ebenso die Präventivmaßnahmen im Gesundheitsbereich und somit auch den Bereich der Ernährung. Durch die gemeinsamen Aktivitäten mit den Familien und dem damit einhergehenden Austausch, entwickeln sich neue Ideen, die nach Möglichkeit umgesetzt werden.
Die Kontrolle der Lieferscheine und die Überprüfung der biologischen Standards liegen in der Verantwortung der Leitung. Eine stets fachliche Auseinandersetzung im Rahmen von Fachliteratur und Internetrecherchen, auch bezogen auf aktuelle Forschungsergebnisse sind Grundvoraussetzung für diese verantwortungsvolle Aufgabe. Ebenso sind der regelmäßige Austausch mit den Lieferanten und Lebensmitteldiscountern ein wichtiger Aspekt, der Informationen über Herstellung, Lieferung oder auch Haltung liefert.

Welche Tipps können Sie anderen Einrichtungen geben, die Bio-Lebensmittel verwenden möchten?
Einfach machen! Offen und kreativ sein um neue Wege zu gehen. Der Anfang kann sein, sich erstmal im Team bewusst zu machen, was für die Einrichtung bzw. für die einzelne pädagogische Fachkraft unter gesunder Ernährung sowie Bio überhaupt verstanden wird. Wie kann dies umgesetzt werden? Welche Ressourcen bestehen? Wie steht der Träger dazu und unterstützt dieser die Einrichtung in ihrem Vorhaben? Was wird schon im pädagogischen Alltag umgesetzt? Welchen Weg möchte die Einrichtung gehen? Welche Haltung bzw. Vorbildfunktion haben die pädagogischen Fachkräfte? Eine stete Reflexion aller Beteiligten, die Etablierung von einem „runden Tisch“, mit der Festlegung gemeinsamer Ziele, unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sind ein Qualitätsbereich die eine Kitaverpflegung zum Wohle der Kinder und Familien, in Kindertageseinrichtungen möglich machen lässt. Die Einbeziehung der Eltern und dem Sozialraum können hilfreich sein weiterer Netzwerkpartner mit einzubinden, die die Kindertageseinrichtung im Bereich der Gesundheits- und Präventionsarbeit unterstützen. Die Unterstützung und Zusammenarbeit des Trägers sind ebenfalls ein wichtiger Faktor der berücksichtigt werden muss. Die Erarbeitung eines Ernährungskonzeptes sollte als Grundlage dienen und in regelmäßigen Abständen, mind. alle zwei Jahre evaluiert, werden.

„Was dem Teile nützt, nützt auch dem Ganzen; und was dem Leibe zuträglich ist, nützt auch der Seele.“ Aristoteles


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