Im Interview: Freie Montessori Schule Westerwald e.V. | |||||||||
Stand: 04/14/2022 | |||||||||
Die Freie Montessori Schule Westerwald wurde 2005 mit damals 17 Kindern und Jugendlichen gegründet. Inzwischen lernen hier rund 240 Schüler*innen von Montag bis Donnerstag zwischen 8:30 Uhr und 15:10 Uhr, freitags von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr nach den Prinzipien Maria Montessoris. Die Schule liegt in Westerburg im Westerwaldkreis, nahe der Landesgrenze zu Hessen. Träger der Schule ist die Elterninitiative Freie Montessori-Schule Westerwald e.V..
Erfahren Sie mehr im Interview mit dem Schulleiter und der Küchenleiterin. Bitte beschreiben Sie kurz das Verpflegungskonzept in Ihrer Einrichtung.
Warum setzen Sie Bio-Lebensmittel in der Verpflegung in Ihrer Einrichtung ein? Woher kam der Wunsch nach Bio in der Verpflegung? Die Entscheidung dafür, dass wir in unserer Schule frisch zubereitetes, vollwertiges Essen aus qualitativ hochwertigen Lebensmitteln haben wollen stand von Anfang an fest. Da Ernährung an sich der Schule sehr wichtig ist. Wir möchten ein gutes Angebot machen und auch kommunizieren. Dies hängt nicht zuletzt auch mit der Pädagogischen Ausrichtung der Schule, den handelnden Personen und den Menschen die sie besuchen zusammen. Auch die Entscheidung Bio-Lebensmittel einzusetzen war eine bewusste. Hier war zunächst eher die Frage ob wir dies zertifizieren lassen möchten. Wir haben uns dagegen entschieden, da Aufwand und Nutzen für uns als Schule in keiner Relation stand. Wir waren aber überzeugt, wir wollen Bioessen anbieten. Uns ist wichtig zu wissen wo die Lebensmittel herkommen und wie sie erzeugt werden. Welche Lebensmittel werden zurzeit in Bio-Qualität angeboten. Worauf achten Sie dabei? Der größte Anteil der eingesetzten Lebensmittel ist in Bio-Qualität. Ausnahme ist lediglich der Fisch. Hier hat Bio-Fisch aus Aquakulturen für uns den Nachteil, dass er häufig noch Gräten hat. Außerdem ist das Angebot von Bio-Fisch sehr gering und auch die Verpackungseinheiten sind nicht geeignet. Fischstäbchen gibt es z.B. nur in kleinen Packungen sodass dies für die Arbeit in der Großküche nicht in Frage kommt. Aus diesen Gründen bevorzugen wir hier Fisch aus nachhaltigem Wildfang und nicht aus Aquakulturen. Alle anderen Lebensmittel kaufen wir in Bio-Qualität. Woher beziehen Sie die Bio-Lebensmittel? Achten Sie auf die regionale Herkunft? Die Kinder eines nahegelegenen Bio-Hofs gehen bei uns zur Schule. Teile der Lebensmittel werden von diesem Bio-Hof direkt an uns geliefert und in der Küche verarbeitet. Dieser direkte Bezug und das Wissen um die Herkunft der Lebensmittel sind uns sehr wichtig. Zusätzlich bestellen wir bei einem Naturkostgroßhändler. Am Anfang, als wir an die Umsetzung der Bio-Verpflegung gegangen sind, gab es hier noch ein paar Barrieren. Damals lieferte der Naturkostgroßhändler hauptsächlich Bio-Läden an. Die Außer-Haus-Verpflegung war einfach noch kein Thema. Es musste erstmal geklärt werden, dass wir mit unserem Essensangebot keine Konkurrenz zum Angebot in Bio-Läden machen wollen, außerdem war auch das Sortiment noch weniger für Großküchen geeignet. Hier hat sich viel getan, sodass nun auch dieses Segment gut bedient wird. Insgesamt sind jetzt auch im Bio-Bereich Großgebinde und Produkte höherer Verarbeitungsstufen verfügbar. Tiefgekühltes Gemüse und z.B. Kartoffelprodukte beziehen wir von einem spezialisierten Bio-Tiefkühllieferanten. Hier gibt es ebenfalls ein Sortiment für Großverbraucher. Nur wenn die benötigten Lebensmittel oder Mengen nicht verfügbar sind weichen wir auf Lebensmittel von anderen Lieferanten aus. Diese erzeugen zwar keine Bio-Lebensmittel, wir kennen und schätzen aber die Qualität.
Welche Lösungen haben Sie gefunden um höhere Einkaufspreise von Bio-Lebensmitteln im Vergleich zu konventionellen auszugleichen? Wie hoch sind die Kosten für die Bio-Verpflegung? Der höhere Einkaufspreis der Lebensmittel ist eine Tatsache, hier war die Arbeit unserer Küchenleiterin, Frau Hell, sehr wichtig. Sie hat mit Sachverstand und Kreativität geschaut was unter den Gegebenheiten möglich ist und wie das Angebot gestaltet werden kann. Zum Beispiel gibt es, wie bereits erwähnt, nicht täglich ein Angebot mit Fleisch oder Wurst. Aber auch der Umgang mit den Lebensmitteln, die Planung und vor allem die Vermeidung von Lebensmittelabfällen sind wichtig. Beim vegetarischen Angebot kommt es darauf an, dass dieses ansprechend und schmackhaft ist und nicht nur der „Ersatz“ für das Fleischgericht ist. Wir bereiten die vegetarischen Gerichte so zu, dass auch diejenigen die sonst das Fleischgericht bevorzugen würden Interesse am vegetarischen Essen bekommen und auf den Geschmack kommen. Zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen sind einerseits eine gute Planung und der entsprechende Einkauf wichtig, andererseits kommt uns zugute, dass wir in Gruppen und Schichten essen und die Speisen in Büffetform anbieten. So können Gerichte oder Komponenten, die am Vortag nicht gegessen wurden und noch nicht in der Ausgabe waren noch einmal verwendet und angeboten werden. Auch wenn es nur kleine Mengen sind ergänzen diese das Angebot des Tages und reduzieren dann den Bedarf der Lebensmittelmenge für die anderen Gerichte. Je nachdem welche Speisen angeboten werden belaufen sich die Wareneinstandskosten zwischen 1,50 und 2,00€ pro Tag und Schüler*in.
Was sagen Schuler*innen und Eltern zum Bio-Einsatz? Inwiefern spielen Schüler- und Elternwünsche eine Rolle? Gab es Zweifel? Wie wird in Ihrer Einrichtung die Qualitätssicherung gewährleistet? Finden z.B. regelmäßig Zufriedenheitsbefragungen etc. statt? Die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen den Bio-Einsatz wurde nicht den Eltern überlassen. Für uns als Schule gehört die Verpflegung in Bio-Qualität zum Konzept der Schule. Am Anfang waren teilweise Zweifel da, evtl. wurde es zu wenig herausgestellt, dass es so ist. In der Zwischenzeit wird es fast erwartet, dass es Bio ist. Dies hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Die Frage ob sich einzelne Kinder vom Essen abmelden können ist eher der Fall. Hier wurde beschlossen, dass eine Abmeldung vom Essen nicht möglich ist. Wir sind verbindliche Ganztagsschule mit dem Anspruch auf hochwertiges Essen. Dies möchten wir und gehört zu unserer Philosophie. Es stellt sich eher die Frage, „was sind die Gründe für den Wunsch der Abmeldung und was können wir tun um dies zu ändern?“. Wir schauen, dass jedes Kind mitessen kann. Wenn nötig bereiten wir Alternativen zu. Insgesamt hat die Zubereitung in der Schule für uns den Vorteil, dass die Schüler*innen immer mal wieder zur Küche kommen können und direkt mit uns sprechen können, Wünsche äußern und schauen was es gibt. Wir gehen dann darauf ein. Ab und zu gibt es natürlich auch die Lieblingsessen wie Burger oder Pizza. Manchmal muss man aber auch einfach Fakten schaffen und z.B. Speisen anbieten, die bisher nicht auf der Wunschliste standen. Bietet man einen Hirseauflauf an ist dies für viele Kinder erstmal unbekannt. Die Möglichkeit am Büffet erstmal eine kleine Menge zu probieren oder sich das Essen so anzurichten wie es den eigenen Vorlieben entspricht nimmt aber die Scheu. Die Eltern haben wir nun noch mehr in die Arbeiten in der Schule miteinbezogen sodass sie uns bei der Umsetzung der Corona-Hygienemaßnahmen unterstützen. Die Einblicke, die die Eltern dort gewonnen haben, haben zu einer noch höheren Akzeptanz des Mittagsangebots bei den Eltern geführt. Vielen war bisher nicht klar welches Angebot den Kindern gemacht wird und wie hoch die Qualität der Zutaten und Speisen ist.
Welche Tipps können Sie anderen Schulen mit Frisch- oder Mischküche geben, die Bio-Lebensmittel verwenden möchten? Der Entscheidende Punkt ist mutig zu sein. Der Wille zählt. Man kann viele Kalkulationen anfertigen und wird vermutlich nicht zu den Zahlen kommen wie es z.B. mit anderen Waren wäre. Natürlich ist es auch eine wirtschaftliche Frage, aber wir haben die Entscheidung selbst und müssen nicht einen Caterer etc. überzeugen. Am Ende muss man natürlich wirtschaftlich arbeiten. hier hängt es auch vor allem an den Mitarbeitern die es umsetzen und dahinterstehen. Manchmal ist es gut „outside the box“ zu denken und andere Wege zu gehen. Wir sind da sicherlich ein außergewöhnliches Beispiel und haben die Möglichkeiten dies umzusetzen. Aber auch an anderen Schulen können einzelne Maßnahmen übernommen werden. Allgemein gebe ich den Tipp, öfter in alternativen zu denken und nicht zu versuchen dasselbe bereits standardisierte Angebot mit Bio-Lebensmitteln anzubieten. Oft ist es besser etwas Einfaches zu kochen bzw. einfach zu denken und dabei phantasievoll zu sein. So bleibt man auch flexibel im Kopf und entdeckt selbst neue Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz können Küchen natürlich auch zunächst einmal mit dem Austausch einzelner Produkte arbeiten. Zum Beispiel sind hier tiefgekühlte Kräuter oder Gemüse nicht wesentlich teurer und sehr gut verfügbar. |
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