Zwischen Leitlinie und Leibgericht - Seniorenernährung gesundheitsförderlich, sicher und nachhaltig

Veranstaltung am 03.05.2023 im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Mainz



Grußworte


Staatsministerin Katrin Eder (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz) begrüßt die Gäste und Referent:innen per Videobotschaft.

Sie betont, dass es beim Thema Ernährung getreu dem bekannten Sprichwort „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ nicht nur um wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch um Genuss und liebgewonnene Gewohnheiten geht. Mit der Veranstaltung „Zwischen Leitlinie und Leibgericht“ soll gezeigt werden, dass Menschen jeden Alters ein Recht auf eine gute Ernährung haben und eine gute Lebenswelt mit einem gesundheitsförderlichen, sicheren und nachhaltigen Essen brauchen.

Besonders Pflegeeinrichtungen stehen aktuell vor großen Herausforderungen: Demografischer Wandel, Fachkräftemangel und Inflation erschweren die Umsetzbarkeit von Veränderungen hin zu einer qualitativ hochwertigen und nachhaltigeren Verpflegung. „Wir wollen die Ängste nehmen und Sie nicht mit mehr Arbeit und Aufwand belasten.“, so Ministerin Eder. Sie hebt die seit Jahren enge Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hervor, die im Rahmen des Projektes „Gut versorgt ins hohe Alter“ Pflegeeinrichtungen, pflegende Angehörige sowie ambulante Dienste in Fragen gesunder Ernährung berät. Auch die Lebensmittelüberwachung ist in erster Linie ein Partner, der bei der Umsetzung von nötigen Maßnahmen unterstützt. Ebenso bietet das Fachzentrum Ernährung Rheinland-Pfalz fachlich fundierte Beratungsangebote für die Verpflegung von Kindern, Jugendlichen und Senior:innen. Damit unterstützt das Umweltministerium, dass die Einrichtungen und Menschen in Rheinland-Pfalz von Anfang an bis ins hohe Alter gut in Sachen Ernährung beraten werden. Da das Thema Seniorenernährung in Zukunft noch weiter an Relevanz gewinnen wird, setzt das Land Rheinland-Pfalz sich für die Fortführung der Vernetzungsstelle Seniorenernährung über die vorläufige Projektlaufzeit von fünf Jahren hinaus ein.

Zum Abschluss ihres Grußwortes wünscht Ministerin Eder allen viel mehr Zeit für und mit den Senior:innen in den Heimen und in der Nachbarschaft.



© MKUEM
Gabriele Mertens-Zündorf kümmert sich als Referentin im Projekt „Im Alter IN FORM“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. (BAGSO) um die Gesundheitsförderung älterer Menschen. Sie betont, dass es in Sachen Ernährung um mehr geht als nur „satt werden“: Neben der physiologischen Relevanz, den Körper mit Nährstoffen zum Erhalt der körperlichen Funktionen zu versorgen, sind die Mahlzeiten auch in kultureller, emotionaler und sozialer Hinsicht von großer Bedeutung. Besonders im Alter sind die Mahlzeiten oft das „Highlight“ des Tages und bieten eine Möglichkeit für Geselligkeit und Teilhabe. So können Essen und Trinken einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung bzw. Förderung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sowie zur Gesundheitsförderung leisten. Für die Umsetzung einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigeren Verpflegung können Leitlinien wie der „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung mit ,Essen auf Rädern‘ und in Senioreneinrichtungen“ eine Orientierung bieten.


Vorträge


Zukunft Seniorenernährung: Herausforderungen Personal, Kosten und Qualität - wie passt das noch zusammen?


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Thomas Kornblum berichtet von seinen Erfahrungen als Leiter Catering, Service und Einkauf für die WH Care Holding GmbH. Durch seinen Werdegang als gelernter Koch, Restaurantfachmann und Hauswirtschaftsmeister hat er vom Küchenleiter bis hin zum hauswirtschaftlichen Regionalleiter alle Stationen der Hauswirtschaft durchlaufen und kennt die Herausforderungen, vor denen Senioreneinrichtungen aktuell stehen. Die Kosten sind sowohl in den Bereichen Personal, Einkauf und Betriebskosten gestiegen. Dadurch könne die momentane Qualität der Verpflegung nur schwer gehalten werden. Hier sieht er aber eine Chance in der Qualitätsverlagerung: Durch die vermehrte Kompetenzbündelung und die Novellierung von Verpflegungskonzepten könnten eingesparte Ressourcen den Tischgästen in Form einer engeren Betreuung durch Fachpersonal und Angebote direkt auf den Wohnbereichen (z. B. Kochstationen, Backen) zugutekommen.

Im Hinblick auf die Personalsituation macht er deutlich, dass nicht nur in der Pflege, sondern auch in der Hauswirtschaft ein Fachkräftemangel herrscht. Hier sieht er die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Imageverbesserung der Dienstleistungsberufe zu fördern, sodass das Berufsfeld der Hauswirtschaft bestenfalls schon in den Schulen „schmackhaft“ gemacht wird. Dabei könnte die Schaffung von zuständigen Stellen hilfreich sein, wie das Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft (ZEHN) in Niedersachsen oder die Vernetzungsstelle Seniorenernährung in Rheinland-Pfalz.


Gut versorgt ins hohe Alter – so kann es in Einrichtungen und zu Hause gelingen


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Dagmar Pfeffer stellt die Angebote der Verbraucherzentrale im Rahmen des Projektes „Gut versorgt ins hohe Alter“ vor. Der Speiseplan-Check unterstützt Verpflegungsverantwortliche bei der Umsetzung einer qualitativ hochwertigen und gesundheitsfördernden Verpflegung. Nach der ausführlichen Analyse des Speisenangebotes im Hinblick auf Lebensmittelqualitäten und - häufigkeiten werden bei einem Abschlussgespräch in der Einrichtung gemeinsam Ansatzpunkte für die schrittweise Optimierung erarbeitet. Wichtig ist hier die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, damit der erste Schritt in eine Neuorientierung gelingen kann. Einrichtungen, die bereits einen Speiseplan-Check bei der Verbraucherzentrale in Anspruch genommen haben, empfehlen das Angebot weiter: „Es ist wirklich toll und tut überhaupt nicht weh!“, so Arthur Koch, Leiter des Hauswirtschafts- und Verpflegungsmanagements beim AWO Bezirksverband Rheinland e.V.

In Zusammenarbeit mit dem Qualitätszirkel Ernährung RLP e. V. wird ein Workshop zur Unterstützung bei der Umsetzung einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Verpflegung für Menschen mit Demenz angeboten. Der Workshop kann als Inhouse-Schulung sowie als zweiteiliges Web-Seminar durchgeführt werden.

Für Verpflegungsverantwortliche in Wohn-Pflege-Gemeinschaften und bei ambulanten Diensten, pflegende Angehörige sowie Seniorinnen und Senioren bietet die Verbraucherzentrale eine sog. Basisschulung an. Hier werden altersbedingte Erkrankungen und ihre Auswirkung auf die Ernährung, Bausteine einer gesundheitsfördernden Verpflegung sowie die Verpflegung bei besonderen Anforderungen thematisiert.

Wer (vorübergehend) auf einen mobilen Menüdienst zurückgreifen möchte, erhält in Form des Web-Seminars „Essen auf Rädern“ Unterstützung bei der Auswahl eines Menüdienstes in Bezug auf das Angebot, die Qualität und Kennzeichnung der Menüs, die Bestell- und Lieferbedingungen, zu den Preisen sowie der Verpackung.

Weitere Beratungsangebote der Verbraucherzentrale umfassen eine (ab Oktober 2023 monatliche) telefonische Sonderberatung für pflegende Angehörige sowie Seniorinnen und Senioren bei Fragen zur ausgewogenen Ernährung im hohen Alter. Zudem besteht eine enge Kooperation mit der Vernetzungsstelle Seniorenernährung bei der Beratung von Senioreneinrichtungen und Wohn-Pflege-Gemeinschaften im Rahmen der 3-Sterne-Qualifizierung sowie bei der Durchführung von (Web-) Seminaren und Hygieneschulungen.


Gut beraten zwischen Leitlinie und Leibgericht


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Theresa Lehnen hebt in ihrem Vortrag das übergeordnete Ziel bei ihrer Arbeit in der Vernetzungsstelle Seniorenernährung hervor: „Wir möchten, dass allen Seniorinnen und Senioren eine gesundheitsförderliche, schmackhafte und nachhaltigere Ernährung ermöglicht wird.“ Dabei sind Mitbestimmung und Teilhabe an der Verpflegung ein Ausdruck von Wertschätzung und steigern die Zufriedenheit der Tischgäste und der Verpflegungsverantwortlichen. Zudem schafft die Vernetzungsstelle Seniorenernährung Möglichkeiten für Weiterbildung und gegenseitigen Austausch im Rahmen von (Web-) Seminaren und Dialogforen.

Mit der „3-Sterne-Qualifizierung für die Seniorenverpflegung“ können Senioreneinrichtungen ihr Verpflegungsangebot auszeichnen lassen. Das kostenfreie Beratungsangebot unterstützt dabei, Maßnahmen zu entwickeln, um so Schritt für Schritt die Verpflegungsqualität zu verbessern. Der Speiseplan-Check der Verbraucherzentrale liefert dazu wertvolle Erkenntnisse über die Ausgangssituation und die Entwicklung hin zu einem gesundheitsförderlichen, nachhaltigen und schmackhaften Verpflegungsangebot. Die aktive Partizipation der Mitarbeitenden und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in der Einrichtung sind dabei wichtige Voraussetzungen. So kann es gelingen, die Arbeits- und Lebensqualität in der Senioreneinrichtung zu erhöhen, Kosten durch nachhaltiges Handeln und effiziente Arbeitsweisen zu sparen und zu einem attraktiven Arbeitsplatz und Wohnort zu werden. Neben dem Qualifizierungsprozess wird eine online-Seminarreihe angeboten. In 90 Minuten wird Basiswissen zu Themen wie Speiseplangestaltung, Verpflegung bei besonderen Anforderungen und ernährungsbedingten Erkrankungen, Hygiene und Kennzeichnung, Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung eines Verpflegungskonzeptes vermittelt. Bei der Durchführung wird die Vernetzungsstelle Seniorenernährung von der Verbraucherzentrale unterstützt.

Auch bei Seniorinnen und Senioren, die sich im eigenen Zuhause selbst versorgen oder versorgt werden, leistet eine gute Ernährungsversorgung einen wichtigen Beitrag zu Lebensqualität und Selbstbestimmtheit. Die Checkliste „Essen und Trinken“ soll Angehörigen und Betreuungspersonen von älteren Menschen eine Orientierungshilfe bieten, welche Aspekte für eine gute Ernährungsversorgung von Senior:innen ohne Pflegebedarf wichtig sind. Der Fokus liegt auf der Prävention von Mangelernährung, da diese vielfältige Ursachen haben kann und erste Warnzeichen häufig übersehen werden. Bei frühzeitigem Erkennen und entsprechenden Maßnahmen können Morbidität und Mortalität gesenkt und die Lebensqualität der Senior:innen erhalten bzw. wiederhergestellt werden.

Ein niedrigschwelliges Angebot zur Förderung der sozialen Teilhabe und Ernährungskompetenz von Senior:innen bildet die „Erlebnisbox Ernährung“. In dieser Box finden Personen, die mit Senior:innen arbeiten (wie z. B. GemeindeschwesterPlus, Ehrenamtliche, Vereine, Mitarbeitende des sozialen Dienstes) Anregungen, Materialien, Rezepte und Spiele zu verschiedenen Ernährungsthemen. Durch praktische Tipps und die gemeinsame Zubereitung kleiner Speisen wird Ernährung „erlebbar“ und die Umsetzung der Empfehlungen erleichtert.


Aus der Praxis: Umsetzung einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Verpflegung


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Uwe Wenzel und Christopher Gehring vom AWO Bezirksverband Pfalz e. V. zeigen die Potenziale für mehr Nachhaltigkeit in der Verpflegung auf. Im Rahmen des Pilotprojektes „Klimafreundlich pflegen – überall!“ hat sich gezeigt, dass im Bereich Verpflegung das größte CO2-Einsparpotenzial herrscht. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Um das Bewusstsein für die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln zu schärfen, hat Küchenleiter Christopher Gehring im AWO Alex-Müller-Haus in Kaiserslautern die täglich anfallenden Abfälle in transparenten Behältern gesammelt und den Mitarbeitenden präsentiert. Durch detaillierte Messungen und Analysen konnte aufgezeigt werden, bei welchen Komponenten die meisten Abfälle anfallen und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. So wurde beispielsweise das angebotene Wurstsortiment von fünf auf zwei verschiedene Sorten reduziert, sowie auf Geflügelwurst umgestellt. Auch die Portionsgröße der Kartoffeln wurde angepasst, was sich selbst bei den pfälzer Kartoffel-Liebhabern problemlos umsetzen ließ. Mit diesen Maßnahmen konnte die Menge an Lebensmittelabfällen deutlich reduziert werden.

Uwe Wenzel ist als Stabsstellenleiter Gastronomie u. a. für die Erstellung der Speisepläne zuständig. Hier achtet er auf die Auswahl saisonaler Produkte, sodass im Winter beispielsweise keine Tomaten oder Gurken auf den Speiseplänen zu finden sind. Und auch einfache Maßnahmen wie die Umstellung der Menü-Reihenfolge auf den Speiseplänen zeigen Wirkung: Nachdem das vegetarische Menü an die erste Stelle auf dem Speiseplan gesetzt wurde, wird es nun gut 20 % häufiger gewählt als vorher, als es noch an dritter Stelle stand. Auch auf Regionalität wird bei der Auswahl der Lieferanten Wert gelegt. So werden die Lebensmittel möglichst in einem Umkreis von 100 Kilometern bezogen. „Das funktioniert auch weitestgehend – nur bei Bananen wird das schwierig.“, fügt Uwe Wenzel schmunzelnd hinzu.

Zum Schluss betonen die beiden Fachmänner, dass die Eigenproduktion in der Küche vor Ort den Spaß am Kochen fördert und so die Ausbildung von Köchinnen und Köchen spannend und attraktiv gemacht werden kann.


Wir danken Ministerin Eder, den Referentinnen und Referenten sowie allen Gästen herzlich für ihren Beitrag zum Gelingen der Veranstaltung!

Die Vernetzungsstelle Seniorenernährung bedankt sich zudem herzlich bei Herrn Dr. Gierse und Frau Hamilton für die Organisation und Moderation der Veranstaltung.

Text: T. Lehnen, Vernetzungsstelle Seniorenernährung RP | Fotos: V. Hamilton, MKUEM


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