Vergiftung durch Speisepilze vermeiden
Interview mit Dr. Rita Lüder

Obwohl Pilze meistens in der Küche wie Gemüse behandelt werden, zählen sie botanisch nicht zu den Pflanzen. Dabei sind Pilze sehr empfindlich und ebenso leicht verderblich wie z.B. rohes Fleisch. Oft werden Pilze noch verzehrt und zubereitet, wenn sie schon bräunlich verfärbt sind. Die alterungsbedingte Braunfärbung sieht nicht nur unschön aus, bei alten Pilzen können tatsächlich auch Stoffe entstehen, die Vergiftungsreaktionen auslösen können.

Kommt es zu solchen Vergiftungen bzw. gilt es diese zu vermeiden, sei es durch Speise- oder Wildpilze, kommt die Arbeit der Pilzsachverständigen ins Spiel. Eine Expertin für Pilze ist Dr. Rita Lüder (RL), die von Melina Ebert (ME) vom Fachzentrum Ernährung Rheinland-Pfalz zu diesem Thema interviewt wurde.

1. ME: Liebe Rita, stellst Du Dich bitte kurz vor? Was genau machst Du in Deinem Beruf?


RL:

Als selbständige Biologin ist es mir ein Anliegen, auf die Schönheit und Bedeutung der Natur (Pilze, Pflanzen, Ökologie) aufmerksam zu machen. Dazu gebe ich Seminare, schreibe Bücher und gestalte Lehrmaterialien mit meinen Zeichnungen. Pilze sind ein Schwerpunkt meiner Arbeit und ich bin als Pilzsachverständige der DGfM (Deutsche Gesellschaft für Mykologie) ausgebildet. Im Rahmen dieser Tätigkeit arbeite ich mit dem GIZ-Nord (Giftinformationszentrum Göttingen). Arbeiten ist eigentlich zu viel gesagt, denn es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, die ich gemeinsam mit vielen weiteren PSV (Pilzsachverständigen, siehe unten) leiste, um Menschen bei dem Verdacht auf eine Pilzvergiftung weiterzuhelfen.


2. ME: Was für Anfragen bekommst Du als Pilzsachverständige?


RL:

Die meisten Anfragen erreichen mich über das GIZ-Nord, doch es kommen auch direkte Anfragen über die Webseite der DGfM
. Meist sind es zum Glück Anfragen von Eltern oder Aufsichtspersonen, deren Kinder einen Pilz oder ein Stück davon verzehrt haben. In den meisten Fällen sind diese Anfragen vorsichtshalber, ohne dass bereits Symptome einer Vergiftung aufgetreten sind. Und meistens sind es in diesen Fällen auch harmlose Pilze, so dass ich Entwarnung geben kann. Die häufigste Ursache von tatsächlichen Vergiftungen ist der Verzehr von zu alten Fruchtkörpern an sich essbarer Pilzarten. Das ist eine Eiweißvergiftung und führt dann zu heftigen Magen-Darm-Beschwerden, ähnlich wie nach dem Verzehr von verdorbenem Fisch oder Fleisch.

3. ME: Das heißt, die Menschen vergiften sich gar nicht immer nur durch versehentlich gesammelte Giftpilze, sondern auch durch ganz normale Speisepilze, die sie sogar im Handel gekauft haben?


RL:

So ist es. Auf dem Wochenmarkt kann es meiner Erfahrung nach tatsächlich kritisch sein, Pilze zu kaufen. Meist gehen die Menschen beim Einkauf davon aus, dass erstens die Arten kontrolliert werden und zweitens die Qualität. Beides ist auf dem Wochenmarkt nicht der Fall, mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen. Um beispielsweise am Marktstand Pilze anzubieten, reicht eine Marktlizenz, das Fachwissen über die angebotenen Pilze spielt dabei keine Rolle.

Tatsächlich sind Vergiftungen insbesondere mit verdorbenen Kulturpilzen recht häufig – und dies selbst in Restaurants. Hier finden sich einige Infos dazu:
DGFM (Hrsg.): Pilzvergiftung - was tun?, im Internet unter dgfm-ev.de (Zugriff 04.04.2024)

Auch bei gesammelten Wildpilzen ist die Qualität wichtig. Ich hatte erst diesen Herbst den Fall einer Vergiftung mit Parasolpilzen. Eine ältere Pilzsammlerin mit langjähriger Erfahrung hatte diese gesammelt. Ihre Enkeltochter sowie sie selbst sind mit einer schweren Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus gelandet. Anhand der Fotos konnte ich die Art und auch den verdorbenen Zustand der Fruchtkörper einwandfrei erkennen.

ME: Wie kann es sein, dass Menschen so unbedacht mit der (Haltbarkeit) von Pilzen umgehen?


RL:

Hier mangelt es aus meiner Sicht an Wissen und Erfahrung – Pilze, die „unbekannten Wesen“. Pilze spielen in der Bildung keine Rolle und das, obwohl sie ebenso wichtig sind wie Pflanzen Sowohl für die Ökologie unseres Planeten als auch für unsere Ernährung. In den asiatischen Ländern sind Pilze seit alters her ein fester Bestandteil der Ernährung. Bei uns weiß ein Großteil der Bevölkerung weder um deren Speise- und Gesundheitswert, noch um den richtigen Umgang mit ihnen.


5. ME: Wie sollte ich Speisepilze lagern, damit sie nicht so schnell verderben?


RL:

Eigentlich ist das auf einen ganz einfachen Nenner herunter zu brechen: Biologisch betrachtet, gehören Pilze einem eigenen Reich an, sind also weder Tiere noch Pflanzen. Doch was ihre Verderblichkeit angeht, so sind sie den Lebensmitteln tierischer Herkunft viel näher als dem Gemüse. Behandelt man sie wie rohes Fleisch oder Fisch, macht man alles richtig. Sie werden kühl gelagert, können getrocknet und tiefgefroren werden. Man kann Reste einer Pilzmahlzeit auch wieder aufwärmen. Wichtig ist jedoch, dass sie schnell herunter gekühlt und bis zum Erhitzen im Kühlschrank aufbewahrt werden. Beim Trocknen von Pilzen ist es wichtig, dass die Pilzscheiben in spätestens 2 Tagen „rascheltrocken“ sind. Danach werden sie dann luftdicht verschlossen und am besten an einem kühlen und dunklen Ort gelagert.


6. ME: Wie erkenne ich, ob meine Speisepilze noch genießbar sind?


RL

Wie bei jedem Lebensmittel hilft es, frische Pilze und verdorbene Pilze zu vergleichen, um die Unterschiede zu erkennen. Wie sind Konsistenz und Farbe, wie riechen sie? Es gilt, die Pilze mit allen Sinnen zu prüfen. So wie ein Angler lernt, einen frischen Fisch von einem alten zu unterscheiden, ist dies auch bei Pilzen wichtig. Auch in der Gastronomie sollten die Fachkräfte in diesem Bereich entsprechend geschult werden. Wir selber haben dazu am Beispiel von Maronen-Röhrlingen, bei uns die meistgesammelten Speisepilze, ein Video auf YouTube erstellt. Auch bietet die DGfM Aufklärungsmaterial dazu an (Beides siehe unten)


7. ME: Dabei können Pilze noch viel mehr als „nur“ uns als Nahrungsmittel zu dienen, oder?


RL:

Definitiv, Pilze sind indirekt auch der Schlüssel zu schmackhaftem Obst, Gemüse und Getreide . 95 % all unserer Pflanzen leben in Symbiose mit verschiedenen Pilzarten (Mykorrhiza). Diese versorgen die Pflanzen mit Wasser und gelösten Nährstoffen und erhalten umgekehrt Zucker von der Pflanze. Blindverkostungen mit Erdbeerpflanzen, die in Feldversuchen mit verschiedenen Pilzen aufgewachsen sind, haben gezeigt, dass die Pilze einen Einfluss auf das Aroma der Früchte und den Ertrag haben. Auch Basilikumpflanzen, Fenchel, Koriander und Minze entwickelten in diesen Studien unterschiedliche Gehalte an ätherischen Ölen, je nachdem mit welchen Pilzpartnern sie wachsen. Studien mit Brotweizen zeigten ähnliche Ergebnisse. Die Qualität des fertigen Brotes wurde durchweg als schmackhafter beurteilt, wenn die Getreidepflanzen mit Mykorrhizapilzen gewachsen sind.


Vielen lieben Dank für das Interview!


Wer mehr über Dr. Rita Lüder und ihre Arbeit erfahren möchte, sollte einen Blick auf ihre Homepage werfen! Dort gibt es Bücher, Videos und sogar Online Kurse zum Thema Pilze und vieles mehr.


Weiterführende Informationen


Melina.Ebert@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung