Bitter – ja bitte

Stand: 02/06/2023
„Bitter“ ist neben Süß, Sauer, Salzig und Umami eine der fünf Geschmacksrichtungen. Säuglinge und Kleinkinder haben eine angeborene Aversion gegenüber bitter schmeckenden Speisen. Diese natürliche Abwehrhaltung kann Kinder vor Vergiftungen schützen, denn viele verdorbene oder giftige Lebensmittel schmecken bitter. Die Abneigung trifft leider auch bitter schmeckende, nicht giftige Lebensmittel wie Rosenkohl, Chicorée oder Radicchio. Mit zunehmendem Alter der Kinder treten jedoch Gewöhnungseffekte ein und Bitteres wird gegessen und in Teilen auch gerne gegessen.


Bittere Pflanzeninhaltsstoffe

Gemeinsames Merkmal der Bitterstoffe ist der bittere Geschmack. Ihre chemischen Strukturen sind hingegen sehr unterschiedlich. Viele Bitterstoffe gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen in Gemüse und Obst. Sie schützen die Pflanzen oft gegen Fraßfeinde, für die Blätter und Früchte wegen des bitteren Geschmacks ungenießbar sind. Zu den bitter schmeckenden Pflanzeninhaltsstoffen zählen viele Saponine, die beispielsweise in Hülsenfrüchten, in Spinat, Zwiebeln, Knoblauch, Spargel oder im Hafer vorkommen. Weitere Beispiele sind bestimmte Glucosinolate in Kohlarten, Lactucin und Lactucopikrin aus der Gruppe der Terpene in Chicorée, Endivien oder Radicchio oder ätherische Öle in bestimmten Gewürzpflanzen (z. B. Lorbeer, Oregano, Rosmarin, Salbei, Wermut). „Bittere“ Vertreter aus der großen Gruppe der Polyphenole sind z. B. Resveratrol (Wein), Naringin (Zitrusfrüchte) und Tannine (Gerbstoffe) in Tee, Kaffee, Kakao, Wein oder Hopfen.


Bitter ist gesund

Nicht jeder Mensch schmeckt Bitter gleichermaßen. Mindestens 25 verschiedene Bitterrezeptoren beim Menschen sind bekannt, die in unterschiedlicher Anzahl und Verteilung an den Geschmacksknospen sitzen und mit deren Hilfe wir in der Lage sind, eine Vielzahl verschiedener Bitterstoffe zu erkennen. Die Ausprägung der Geschmackknospen ist individuell und entscheidet mit, ob beispielsweise Radicchio als bitter oder Kaffee als angenehm empfunden wird. Aufgrund einer genetisch bedingten geringfügigen Abweichung der Struktur eines Bitterrezeptors können etwa 30 Prozent der Menschen Bitter nicht oder nur schwach schmecken.
Bitterrezeptoren sind nicht nur im Mund, sondern auch in verschiedenen anderen Organen oder Geweben anzutreffen. Man findet sie beispielsweise auf den Schleimhäuten der Atemwege oder im Verdauungstrakt, wo sie bakterielle Signalstoffe oder Schadstoffe erkennen und die lokale Immunabwehr aktivieren. Bitterstoffe können die Produktion von Speichel, Magensaft und Gallenflüssigkeit aktivieren und den Appetit anregen. Es ist nicht von ungefähr, dass hochbetagte Senioren, die unter Appetitlosigkeit leiden, oftmals Speisen mit leichter Bitternote mögen. Bitterstoffe unterstützen zudem die Fettverdauung und aktivieren die Darmperistaltik. Bestimmte Stoffe fördern die Insulinproduktion und wirken günstig auf den Blutglukosespiegel. Außerdem werden entzündungshemmende Eigenschaften bestimmter Bitterstoffe diskutiert.


Vorsicht bei bitter schmeckenden Kürbisgewächsen

Zucchini, Gurken oder Speisekürbisse schmecken von Natur aus nicht bitter. Bei Hitzestress kann es geschehen, dass die Pflanzen den giftigen Bitterstoff Cucurbitcin in den Früchten bilden. Dies kann auch passieren, wenn Hobbygärtner das Saatgut selbst gezogen haben oder die Pflanzen neben Zierkürbissen angebaut werden. Empfehlenswert ist es, ein winziges Stück der Früchte zu probieren, um den einwandfreien Geschmack festzustellen. Bittere Exemplare sollten nicht weiter verzehrt werden, weil lebensbedrohliche Vergiftungssymptome auftreten können.


Bitter für Feinschmecker

Mit Hilfe kleiner Tricks kann die Bitterkomponente genussvoll genutzt werden.
Bittersalate wie Radicchio oder Rucola können sehr gut mit anderen Blattsalaten gemischt und dadurch im Geschmack abgemildert werden, passend dazu eine Honig-Vinaigrette. Ein Salat aus Chicorée lässt sich sehr gut mit klein geschnittener Apfelsine oder Apfel kombinieren, dazu eine Joghurtmarinade. Die süß-sauren Fruchtaromen puffern den leicht bitteren Geschmack des Chicorées ab. Mildernd wirkt auch eine warme Marinade, die man beispielsweise aus etwas Gemüsebrühe herstellen kann. Chicorée oder Radicchio können in der Pfanne leicht angebraten werden. Die Röstaromen überdecken das Bittere des Gemüses. Eine Alternative für Rosenkohl ist die Zubereitung der Röschen im Ofen.
Frische Kräuter bereichern nicht nur die Geschmacksvielfalt der Küche – Thymian, Salbei, Rosmarin & Co. bieten auch einiges an Bitteraromen. Ähnliches gilt für Gewürze wie Ingwer oder Kurkuma. Dunkle Schokolade mit 70 Prozent Kakaoanteil und mehr bietet ebenfalls einen edlen bitteren Genuss.
In den letzten Jahrzehnten wurden die Bittergehalte in Grünkohl, Rosenkohl, Chicorée, Rucola & Co. durch Züchtung gesenkt. Die Gemüse schmecken deutlich milder und finden dadurch viel eher Anklang, bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Vor dem Hintergrund der vielfältigen positiven Eigenschaften der bitteren Pflanzeninhaltsstoffe ist diese Entwicklung jedoch schade. Wer das Potential nutzen möchte, findet die alten Gemüsesorten mit einem ursprünglichen Gehalt an Bitterstoffen teilweise in Bioläden, auf Wochenmärkten oder in den Läden von Direktvermarktern. Hobbygärtner können entsprechendes Saatgut im Pflanzenfachhandel oder auf Samenbörsen beziehen für den Anbau der Gemüse und Kräuter im eigenen Garten.


Wenn an sich nicht bittere Lebensmittel auf einmal bitter schmecken, ist immer Vorsicht geboten, denn das kann ein Zeichen von Verderb sein. Ansonsten gilt: Bitter ist „gesund“. Spannende Erkenntnisse über die gesundheitlichen Wirkungen bitter schmeckender Lebensmittel sind in den nächsten Jahren zu erwarten.
Wenn wir es zulassen, dem Bitteren mehr Raum in unserer Ernährung zu bieten, öffnen sich zusätzliche Geschmackserlebnisse. Das gelingt am einfachsten mit einer abwechslungsreichen, vielfältigen und saisonal orientierten Lebensmittelauswahl.


Quellen und weiterführende Informationen


irmgard.luetticken@dlr.rlp.de     www,fze.rlp.de/ernaehrungsberatung