Ernährung bei Neurodermitis - Erfahrungen aus der Praxis

Stand: 04/03/2023
Eltern von Kindern mit Neurodermitis vermuten oft einen Zusammenhang zwischen der Neurodermitis und einer Lebensmittelunverträglichkeit. So ist auch oft eine der ersten Fragen im Gespräch der Eltern mit Ernährungsfachkräften, auf welche Allergien ihr Kind getestet werden müsse. Die Antwort erstaunt oftmals, denn in der Regel werden zunächst keine Testungen durchgeführt. Hintergrund ist, dass bei Kindern mit einem Ekzem die Hautbarriere gestört ist, so dass Keime auf diesem Weg eintreten können, das gleiche gilt aber auch für potentielle Allergene. Ein Sensibilisierungsnachweis, gerne auch fälschlicherweise „Allergietest“ genannt, hätte eine Vielzahl an positiven Ergebnissen zur Folge, denn infolge der gestörten Schutzfunktion der Haut würden die getesteten Lebensmittel zu Sensibilisierungen führen ohne dass unbedingt allergische Abwehrreaktionen stattgefunden haben müssen. Man spricht in diesem Fall von stummen Sensibilisierungen (ohne Reaktion) in Abgrenzung zu klinisch relevanten Reaktionen (mit Symptomen). Der Sensibilisierungsnachweis würde in vielen Fällen zum falschen Ergebnis führen.

Kinder mit Neurodermitis sollten den Erstkontakt mit Lebensmitteln immer über den Darm und nie über die hochempfindliche Haut erfahren. Dies bedeutet auch, dass beispielsweise ein Molkebad oder ähnlich ausgeprägte Hautkontakte mit Lebensmitteln für das Kind tabu sind.

Es gibt jedoch einige Dinge in der Ernährung von Kindern mit Neurodermitis, die wichtig sind. Das fängt bereits im Säuglingsalter an.

Die Beikost sollte so früh wie möglich eingeführt werden, empfehlenswert ab dem 5. Monat. Es sollten solche Lebensmittel mehrmals in der Woche gefüttert werden, die in der Familie üblicherweise gegessen werden. So werden die Kinder zum einen an die Familienkost gewöhnt. Und zum anderen kann mit einer solchen gezielten Einführung von Lebensmitteln im ersten Lebensjahr das Allergierisiko reduziert werden. Allerdings hat man keinen Einfluss auf eine spätere Entwicklung von Unverträglichkeiten gegen andere Nahrungsmittel.

Es kann passieren, dass beim Füttern von Milchbrei plötzlich rund um den Mund eine Rötung entsteht. Hierbei handelt es sich in den allermeisten Fällen um eine Kontaktreaktion und i.d.R. nicht um eine allergische Reaktion. Eltern sollten weiterhin den Milchbrei füttern. Sie sollten jedoch den Brei direkt bei Hautkontakt wegwischen oder das Kind vor dem Essen rund um den Mund eincremen. Sollten dennoch allergische Reaktionen, auch an anderen Körperstellen, auftreten, dann muss dies medizinisch abgeklärt werden.

Die Basistherapie bei Neurodermitis ist laut Leitlinie (siehe unten) zum einen die Hautpflege und zum anderen eine medikamentöse Therapie. Damit lässt sich das Hautbild oft stabilisieren. Das Meiden bestimmter Lebensmittel hat in der Regel keinen Einfluss auf den Zustand der Haut. Es ist eher umgekehrt, dass eine vielseitige, gemüsebetonte Ernährung einen positiven Einfluss auf das Immunsystem und somit auch auf die allgemeine Gesundheit – und die Gesundheit der Haut – haben kann.

Der Verzicht auf Nahrungsmittel birgt immer das Risiko einer Mangel- und Fehlernährung, verbunden häufig mit einem hohen Leidensdruck und ggfs. Verlust an sozialer Teilhabe. Somit ist eine vorbeugende Vermeidung von Nahrungsmitteln nicht nur wirkungslos, sondern eher sogar kontraproduktiv. Dennoch glauben Eltern von an Neurodermitis erkrankten Kindern häufig, dass das Meiden von bestimmten Lebensmitteln oder Lebensmittelinhaltsstoffen zu einer Entlastung der Haut führe. Die populärsten „Verdächtigen“ sind Histamin, bestimmte Zusatzstoffe und Zucker. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) verweist darauf, dass vor allem im Kindesalter eine pauschale Vermeidung dieser vermeintlichen Trigger nicht gerechtfertigt ist. Im Einzelfall kann ein Zusammenhang bestehen. Es ist jedoch nicht sinnvoll, diese Stoffe von vorneherein zu meiden.

Besteht jedoch der Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit bei Neurodermitikern, dann sollte primär das Pflegeregime optimiert werden, d.h. die Mittelwahl wird dem aktuellen Hautzustand angepasst. An zweiter Stelle steht die individuelle Diagnostik. Hierbei ist u.a. die Führung eines Neurodermitis-Tagebuchs wichtig. Nur wenn reproduzierbar nach dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels oder Lebensmittelinhaltsstoffs gleiche Reaktionen auftreten, kann eine Unverträglichkeit erwogen werden. Treten die Reaktionen nur ab und zu auf, ist eine Unverträglichkeit ausgeschlossen.
An dieser Stelle sei auch gesagt, dass eine prophylaktische Hautpflege, ohne dass ein Ekzem vorliegt, nicht sinnvoll ist. Lediglich bei Säuglingen und Kindern mit sichtbar trockener Haut wird empfohlen, die Hautpartien regelmäßig einzucremen.


Quellen und weiterführende Informationen


Kerstin.Awan@dlr.rlp.de     www,fze.rlp.de/ernaehrungsberatung