Gemüsegenuss mit „Stumpf und Stiel“

Stand: 09/07/2022
„From leaf to root“ oder „Vom Blatt bis zur Wurzel“ ist ein aktueller Trend und ein Weg, wie dem Thema Lebensmittelverschwendung begegnet werden kann. Hierbei verwertet man so viel wie möglich oder sogar alles vom Gemüse, Salat oder Obst. In Kochbüchern, auf diversen Internetseiten oder Social Media Kanälen finden sich vielfältige Anregungen und Praxistipps. Es geht beispielsweise um die Verwertung von Radieschengrün, Kohlrabiblättern, Blumenkohl- und Brokkolistrünken oder Möhrenschalen. Alles Pflanzenteile, die normalerweise weggeworfen werden und aus denen kreative Köchinnen und Köche leckere Dinge zaubern wie Pesto, spinatähnliche Zubereitungen, Püree, Smoothies oder sie als Zutaten für Suppen, Eintöpfe oder Gemüsefüllungen z.B. von Lasagne nutzen.
(Ideen siehe unter „Quellen und weiterführende Informationen“.)

Dennoch:
Wie sicher ist diese komplette Verwertung von Gemüsepflanzen? Was gilt es zu beachten?

Bestimmte Pflanzenteile sind bekanntermaßen gesundheitlich bedenklich und sollten nicht verwendet werden. Paradebeispiel sind die Blätter von Rhabarber. Sie enthalten sehr viel Oxalsäure sowie Anthrachinone. Ihr Verzehr kann Nieren- und Gallensteinen Vorschub leisten, Gichtanfälle provozieren oder auch zu akuten Vergiftungen unter anderem mit Übelkeit, Gewebereizungen und Verätzungen, Nierenschädigungen bis hin zum Kreislaufkollaps führen. Auch die Blätter und Stiele von Tomaten, Kartoffeln, Paprika ebenso wie grüne Stellen an Tomaten oder Kartoffeln sollten gemieden werden wegen ihres Gehaltes an Solanin. Leichtere Solaninvergiftungen äußern sich unter anderem mit Kopfschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Stärkere Vergiftungen können zu Krämpfen, Sehstörungen und in sehr schweren Fällen zu Atemlähmungen führen.
Allgemein muss man davon ausgehen, dass die natürlichen Inhaltsstoffe in den verschiedenen Pflanzenteilen und deren Wirkungen nur wenig erforscht sind.

In der Vergangenheit wurden meist nur die traditionell verwendeten, für den üblichen Verzehr relevanten Pflanzenteile auf ihre Unbedenklichkeit hin untersucht.
2020 wurden in einem gemeinsamen Projekt von Bund und Ländern bundesweit Proben von Kohlrabi, Möhren und Radieschen mit je zwei Teilproben (Knolle bzw. Wurzel und Blätter) auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Der Anteil der Proben ohne quantifizierbare Rückstände war bei allen drei Gemüsearten für die Blattproben deutlich niedriger als für die Knollen bzw. Wurzeln. Mehrfachrückstände hingegen wurden in den Blattproben wesentlich häufiger festgestellt und auch die maximale Anzahl an Wirkstoffen war in den Blattproben höher als in den Proben der Knollen bzw. Wurzeln (BVL 2022). Für einzelne ausgewählte, auffällige Rückstandsbefunde konnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine akute Gefährdung von Kindern und Erwachsenen nicht ausschließen.


Fazit

Wer Gemüse „ganz“ essen möchte, sollte sich soweit möglich über die Risiken informieren.

Manche Gemüseabfälle lassen sich von vorneherein vermeiden. So können Möhren, Gurken, Rettich oder Kohlrabi - gut gewaschen - mit der Schale verzehrt werden. Spargelschalen sind eine wunderbare Grundlage für Spargelsuppe.
Aus Gemüseschalen und weiteren Resten lassen sich Gemüsebrühen herstellen. Dazu die Gemüse vor dem Putzen gründlich waschen und die Putzreste etwa 30 Minuten mit Gewürzen nach Geschmack und Salz köcheln, nach dem Abkühlen durch ein feines Sieb abgießen und im Kühlschrank bis zur Verwendung aufbewahren.
Auch Kürbiskerne eignen sich gut zum Verzehr. Dazu die trockenen, vom Fruchtfleisch befreiten Kerne etwa 20 Minuten auf einem Backblech im Ofen bei 180°C Ober-/ Unterhitze rösten, zwischendurch wenden.

Vorsicht ist geboten bei stark bitterem oder unangenehmem Geschmack. Er kann ein Zeichen für das Vorhandensein von giftigen Inhaltsstoffen sein.
Chemische Pflanzenschutzmittel werden im ökologischen Gemüsebau nicht angewandt. Deshalb möglichst die Gemüseblätter nur von Bio-Gemüse und auch von selbst angebautem Gemüse verarbeiten.

„From leaf to root“ ist ein relativ neuer, begrüßenswerter Trend. In den kommenden Jahren sind weitere Erkenntnisse zu erwarten hinsichtlich der Essbarkeit des „ganzen“ Gemüses.


Quellen und weiterführende Informationen


irmgard.luetticken@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung